Bitte um Solidarität

Lieber Herr Pfarrer Wolfgang Křesák, meine lieben Brüder und Schwestern,

als Bischof der syrisch-katholischen Kirche von Antiochien im Libanon, freut es mich sehr, dass ich heute mit Ihnen, hier in Wittichenau, auf Einladung von Pfarrer Dr. Wolfgang Křesák, anlässlich des Patronatsfestes Ihrer Pfarrgemeinde, die heilige Eucharistie zelebrieren und Ihnen das Wort Gottes verkündigen darf. Heute versammelt sich die Weltkirche in der Freude der Himmelfahrt Mariens, in dem die Christen des Orients und des Okzidents sich vereinigen, um die Jungfrau Maria zu verehren und zu verherrlichen.

Seit den ersten Jahrhunderten hat die Kirche des Orients das Fest von der Aufnahme Mariens, dessen Lehre in der heiligen Schrift begründet liegt, eingeführt. Uns allen sind die Worte im Gedächtnis,die der Engel Maria verkündet hatte: „Sei gegrüßt, du Begnadete, der Herr ist mit dir“ (Lk 1,28). Dieser Satz bedeutet, dass Maria makellos von aller Sünde ist und daher ihr Leib niemals die Verwesung schauen wird. Der sündenlose Leib Mariens ist nicht den Tod unterworfen. Dies bedeutet gleichsam: Jesus Christus hat nicht zugelassen, dass der Leib seiner Mutter, durch den Tod zerstört wird. Nach diesem irdischen Leben hat er sie mit Leib und Seele in die himmlische Herrlichkeit aufgenommen. Deshalb spricht unsere Kirche nicht vom Tod Mariens, sondern von ihrer Entschlafung, in Latein dormitsio genannt, weil das Sterben der Jungfrau von den Kirchenvätern als Schlaf bezeichnet worden ist.

Im heutigen Evangelium, das von der Heimsuchung Mariens zu berichten weiß, rief Elisabeth mit lauter Stimme: „Gesegnet bist du mehr als alle anderen Frauen und gesegnet ist die Frucht deines Leibes“ (Lk 1,42). Durch jene Worte zeigt sich die besondere Bedeutung Mariens in der Heilsgeschichte, wie Maria zudem im anschließenden Magnifikat bekräftigt hat, das alle Geschlechter sie selig preisen werden, da sie Gott ihr Ja-Wort gegeben hat, die Mutter Gottes und Magd des Herrn zu sein.

In der Kirche gibt es zwei Überlieferungen, die den Ort ihrer Aufnahme in den Himmel bestimmen: Die erste Tradition legt die Aufnahme Mariens in Jerusalem fest. Eine Kirche des 6. Jahrhunderts wurde in Jersualem, „Grab der Jungfrau“ genannt. Die zweite Überlieferung berichtet, dass die Jungfrau in der Kirche der Meryem Ana in Ephesus, in der heutigen Türkei gelegen, entschlafen ist.

Indem sich die Kirche auf diese Glaubensüberzeugung des Orients und Okzidents stützt, hat Papst Pius XII im Jahre 1950 das Dogma von der Aufnahme Mariens in den Himmel verkündet.

Die Marienverehrung ist in allen Kirchen des Ostens und Westens ohne Unterbrechung zu allen Zeiten lebendig gehalten worden. In der orientalischen Liturgie wird die Jungfrau durch mehrere Feste sowie im Kanon der heiligen Eucharistie verehrt. Auch die Kirchenväter haben ihr zu Ehren Hymnen verfasst, in denen sie ihren glorreichen Namen, mittels vieler Titel wie etwa Pforte des Himmels, Mutter vom ewigen Licht, Bundeslade Gottes, Mutter der Barmherzigkeit und durch andere heilige Namen angerufen haben.

Der große syrische Kirchenlehrer Ephraim, der auch Zither des Heiligen Geistes genannt wird und im 4. Jahrhundert lebte, hat in einen Hymnus geschrieben: „O Maria, wenn auch dein Leib in den Himmel aufgefahren ist, deine Fürsprache aber, ist jeden Tag mit uns. O Jungfrau, bitte die geheime Macht die in dir wohnt, dass sie uns verzeihe.“ Des weiteren richtet er sich an Jesus und Maria, indem er schreibt: „O Jesus, du und deine Mutter, ihr seid beide hoch erhaben über alle Menschen, weil in euch keine Sünde wohnt und deine Mutter frei von jeglichen Makel ist.“

Maria ist die Gottesgebärerin, wie das Dogma, das während des Konzils von Ephesus im Jahre 431 verabschiedet wurde, definiert. Damit fällt der himmlischen Mutter eine besondere Bedeutung zu, da sie Jesus, wahrhaftig als Gott und Mensch geboren hat und dadurch zeitlebens ohne Sünde und Jungfrau blieb.

Mit der Geburt Jesu ist Maria zur Mutter der Christenheit geworden, weil der Herr als Mensch unser Bruder ist. In diesem Kontext ist der heilige Paulus zu nennen, der schreibt, dass Jesus durch Maria „der Erstgeborene von vielen Brüdern sei“ (Röm 8,29). Als Mutter aller Christen ist Maria gleichsam zur Mutter der Kirche geworden. Auch am Kreuz hat Jesus uns Maria zur Mutter gegeben indem er sie, seinen Lieblingsjünger Johannes anvertraute und sprach: „Siehe deine Mutter“ (Joh, 19,27).

Die Marienverehrung ist nach wie vor immer noch aktuell, selbst in den arabischen Ländern, in denen die Christen eine Minorität geworden sind. Trotzdem gibt es dort viele Kirchen, die ihr geweiht sind. Sogar der Islam verehrt heute noch die Jungfrau Maria, als Mutter Jesu. Ich selbst habe schon gesehen, wie viele Muslime, Männer und Frauen, mit ihrer schwarzen Kleidung in das Marienheiligtum des Libanon gepilgert sind, um zu unserer lieben Frau zu beten und von ihr Gnade zu erhalten. Auch die Muslime glauben, dass sie Jesus auf wunderbare Weise geboren hat und immer Jungfrau blieb. Sie ist, wie der Engel Gabriel sagt, unter allen Frauen auserkoren.

Ich bin sicher, dass die Jungfrau Maria, die unsere himmlische Mutter ist, großen Einfluss zum Herzen ihres Sohnes hat und ihr Volk eines Tages zum Glauben an ihren Sohn Jesus Christus, den Retter der Welt, führen wird, die noch heute Christen massakriert, aufgrund Jesu Namens.

Seit drei Jahren vollzieht sich im Libanon ein Ereignis, das in besonderer Weise weltweite Aufmerksamkeit verdient. Der Mufti, als Haupt der Muslime, hat mit seinem Gremium entschieden, mit den Christen zusammen, das Fest der Verkündigung Mariens am 25. März zu feiern. Auf ausdrücklichen Wunsch von Muslimen und Christen hin ist mittlerweile, dieses Datum, ein arbeitsfreier Nationalfeiertag geworden.

Seit mehr als 10 Jahren, als die Vereinigten Staaten von Amerika in den Irak einmarschierten, um sinnloserweise die Demokratie zu etablieren, ist der Irak in drei Teile, einen sunnitischen in der Mitte des Landes, einen schiitischen im Süden sowie einen kurdischen im Norden, gespalten worden und die Christen sind dieser Situation anheim gefallen. Durch ihre Intervention haben die Amerikaner das Fundament für Krieg, Destruktion und Tod im Irak gelegt. Durch jene instabilen Verhältnisse wurde der Islamische Staat (IS) ermutigt, ihre zerstörerische und fundamentalistische Ideologie zu verbreiten. Somit werden die Christen im Orient heutzutage zunehmend von den Kämpfern des Islamischen Staates, der keine Barmherzigkeit und Nächstenliebe kennt, verfolgt und vertrieben. Bei der Isis handelt es sich um ein Übel und eine Prüfung zugleich, welche den gesamten Orient aber gewiss auch den Okzident betrifft. Diese islamische Armee hat während einer Nacht, den gesamten Nordirak, wo 130 000 Christen lebten, evakuiert und alle hiesigen Christen vertrieben. Daraufhin mussten jene in die kurdischen Gebiete fliehen und dabei ihre ganze Habe zurücklassen, um sich dort eine neue Existenz zu errichten.

Aktuell befindet sich die Armee des islamischen Staates, die sogenannten Gotteskrieger, welche den Dschihad praktizieren und propagieren auch in Syrien und in absehbarer Zeit werden sie nach und nach andere Staaten einnehmen. Jedoch dürfen wir angesichts dieser tristen Tatsache nie vergessen, dass unser Gott, ein Gott der Liebe ist und nicht der Spirale von Hass und Gewalt und daher jene Anhänger dieser fanatischen Bewegung von einem völlig falschen Gottesbild getrieben und geleitet werden.

Die Christen hingegen sympathisieren mit dem Assad-Regime und möchten verhindern, dass es fällt, da es ihnen bislang den größtmöglichen Schutz gegen Islamisten und Dschihadisten geboten hat. Auch viele Priester und sogar zwei syrisch-orthodoxe Bischöfe sind verschleppt worden und bislang hat niemand mehr eine Nachricht von ihnen erhalten, da sie sich in der Hand des islamischen Staates befinden.

Darüber hinaus sind im Zuge der Unruhen in Syrien vier Millionen syrische Flüchtlinge in Jordanien, Libanon und anderen Ländern sesshaft geworden. Im Libanon leben davon etwa 1 1⁄2 Millionen Flüchtlinge, deren Zahl täglich ansteigt. So kamen auch über 10 000 christliche Familien aus Syrien und dem Irak, von verschiedenen orientalischen Kirchen, die Hilfe benötigen, zu uns in den Libanon, um ein Obdach durch die Kirche, die über keine finanziellen Mittel verfügt, gewährt zu bekommen. Sie kamen völlig mittellos, haben alles verloren, zum Teil sind ihre Häuser ausgebrannt und geplündert worden und mussten zudem alles was sie besaßen zurücklassen, um im Libanon sich eine neue Existenz aufzubauen. Daher erwarten sie stets die Solidarität ihrer christlichen Schwestern und Brüder in Europa, da sie derzeitig auf Ihre aller Hilfe angewiesen sind.

Nach den dramatischen Verhältnissen in Syrien und im Irak führt es mehr und mehr zu einen Religionskrieg und verursacht dadurch eine Unsicherheit im Libanon sowie eine Spannung zwischen den beiden muslimischen Konfessionen der Sunniten und Schiiten, wovon letztere über eine gut organisierte, bewaffnete Armee verfügen und Kämpfer nach Syrien schicken, um das dortige Regime zu unterstützen. Aufgrund dieser Situation konnten im Libanon bislang immer noch keine Präsidentschaftswahlen stattfinden.

Auf der anderen Seite, provozieren eine große Anzahl syrischer und irakischer Flüchtlinge die Instabilität und die Kriminalität, wodurch eine große Unzufriedenheit und Angst unter der Bevölkerung hervorgerufen wird. In dieser schwierigen Situation bittet die Kirche die Gläubigen um Gebet und Anbetung.

Liebe Brüder und Schwestern, wie die Kirche im Westen vor großen Herausforderungen steht, hat unsere östliche Kirche, wie Sie sehen, auch ungelöste Probleme zu bewältigen. Dabei dürfen wir jedoch nicht vergessen für den Frieden im Nahen Osten zu beten und die Hoffnung auf diesen aufzugeben. Zudem sind wir uns der Worte Jesu bewusst, die er uns gelehrt und versprochen hat: „Frieden hinterlasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch; nicht einen Frieden, wie die Welt ihn gibt, gebe ich euch.“ (Joh 14,27).

Die Christen im Orient bitten um ihr Gebet und hoffen auf Ihre geschwisterliche Solidarität und Unterstützung, insbesondere in dieser dramatischen Situation, da viele ihre Heimat verlassen mussten und zu uns in den Libanon geflohen sind, um ein Obdach und eine Versorgung gewährt zu bekommen.

Brüder und Schwestern, wir rufen Maria als Hilfe der Christen an und durch ihre Fürsprache können wir auch heute alle Schwierigkeiten überwinden, denn die Jungfrau Maria hat im Himmel großen Einfluss über ihren göttlichen Sohn. Der heilige Evangelist Johannes schreibt in seiner geheimen Offenbarung „eine Frau mit der Sonne bekleidet, der Mond war unter ihren Füßen und ein Kranz von zwölf Sternen auf ihrem Haupt“ (Offb 11,1). Diese Frau ist die Jungfrau Maria, die wir um unsere Rettung und um den Frieden in der Welt anflehen können. Zudem ist uns die Gewissheit geschenkt, weil der Herr uns selbst versprochen hat: „Fürchtet Euch nicht, denn ich bin bei Euch alle Tage bis zum Ende der Welt.“ (Mt 28,20b).

Amen!