Antworten zu praktischen Fragen der Flüchtlingshilfe

Liebe Schwestern und Brüder!

„Der Fremde, der sich bei euch aufhält, soll euch wie ein Einheimischer gelten und du sollst ihn lieben wie dich selbst; denn ihr seid selbst Fremde in Ägypten gewesen. Ich bin der Herr, euer Gott.“ (Lev 19,34).

Als Kirche stehen wir in besonderer Verantwortung für einen menschlichen Umgang mit Flüchtlingen. An vielen Orten übernehmen katholische Christen, oft in ökumenischer Verbundenheit, Aufgaben in der Begleitung von Flüchtlin­gen. Einige praktische Fragen sollen hier angesprochen sein. Ich möchte Sie er­mutigen, sich mit Ihren Möglichkeiten für die Menschen, die ihre Heimat aufge­ben mussten, einzusetzen.

Wer sind die Flüchtlinge und Asylbewerber und was erhoffen sie?

Flüchtlinge sind Migranten, die wegen Furcht vor Verfolgung (zum Beispiel wegen Rasse, Religion, Nationalität, politischer Überzeugung), vor anderen er­heblichen Gefahren oder wegen Krieg ihr Herkunftsland verlassen haben. Stel­len sie in Deutschland einen Asylantrag, sprechen wir von Asylbewerbern. Über die Asylanträge entscheidet das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. In den günstigsten Fällen wird den Flüchtlingen der Schutz nach internationalen Bestimmungen (Genfer Flüchtlingskonvention beziehungsweise Qualifikations­richtlinie) oder nach nationalen Rechtsvorschriften gewährt.

Für Asylbewerber und Flüchtlinge ist Deutschland ein fremdes Land. Die hie­sige Kultur ist ihnen nicht vertraut. Sie kommen mit der Hoffnung auf ein besse­res Leben und bringen ihre bitteren Erfahrungen von Armut, Verfolgung und Krieg mit. Oft sind sie seelisch erschüttert und erkrankt. Asylbewerber und Flüchtlinge haben unterschiedliche Religionen und Weltanschauungen. Viele werden aufgrund ihrer Religion in den Herkunftsländern verfolgt. In der Regel sind keine deutschen Sprachkenntnisse vorhanden. Entsprechend der Her­kunftsländer ist eine Verständigung zum Beispiel in arabisch, persisch, franzö­sisch, englisch oder russisch möglich.

Was erwartet Asylbewerber und Flüchtlinge in Deutschland?
Welches sind die rechtlichen Rahmenbedingungen?

Nach ihrer Ankunft werden Asylbewerber und Flüchtlinge in einer zentralen Erstaufnahmeeinrichtung (für Sachsen in Chemnitz) untergebracht. Dort erfolgt eine Anhörung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, um die Gründe für das Asylbegehren zu prüfen. Danach werden die Asylbewerber nach einem festgelegten Schlüssel auf die Städte und Landkreise verteilt. Dabei kön­nen Familien auseinander gerissen werden. Die Unterbringung erfolgt in Flücht­lingsheimen, Wohncontainern oder Belegwohnungen meist in beengten Verhält­nissen. In den ersten neun Monaten gibt es in der Regel keine Arbeits- und Aus­bildungserlaubnis, anschließend ist eine nachrangige Arbeitserlaubnis möglich. Erst nach vier Jahren wird keine Arbeitserlaubnis mehr benötigt. Die Sicherung des Lebensunterhalts ist im Asylbewerberleistungsgesetz geregelt. Eine eigene Krankenversicherung für Asylbewerber besteht nicht. Medizinische Behandlung erfolgt nur bei akuten Erkrankungen, Schmerzzuständen und Entbindung. Ohne Anerkennung als Flüchtling gibt es keinen Anspruch auf Deutsch- beziehungs­weise Integrationskurse und kein Recht auf Ehegatten- und Kindernachzug. Asylbewerber unterliegen der so genannten Residenzpflicht, das heißt, ohne Er­laubnis dürfen sie sich nur in einer bestimmten Region aufhalten (Reisemög­lichkeit nur auf Antrag). Die durchschnittliche Dauer eines Asylverfahrens liegt derzeit bei sieben Monaten, in zahlreichen Fällen dauert es viele Jahre. Viele Asylanträge werden abgelehnt. Die Menschen müssen Deutschland wieder ver­lassen.

Was können wir tun?

Wohnen

Die Unterbringung von Asylbewerbern in den Städten und Landkreisen ist eine staatliche Aufgabe. Den Asylbewerbern werden in der Regel Gemeinschaftsun­terkünfte zur Verfügung gestellt. Aus humanitären und familiären Gründen kön­nen die Kommunen und Landkreise im Rahmen von Ermessensentscheidungen Ausnahmen machen, so dass eine Unterbringung in anderweitigen Unterkünften, zum Beispiel in Einzelwohnungen, möglich ist.

Wohnen bei Gemeindemitgliedern und in pfarreigenen Räumen

Flüchtlinge und Asylbewerber können privat untergebracht werden. Es ist auch möglich, Gästewohnungen oder pfarrliche Räume zur Verfügung zu stellen. Hier haben Flüchtlinge und Asylbewerber in der Regel eine bessere Unterbrin­gung als in Sammelunterkünften und können besser begleitet werden. Sollten private oder pfarrliche Räume zur Verfügung gestellt werden, ist ein Mietvertrag zwischen der Pfarrei und der jeweiligen Kommune angeraten. So können Be­dingungen im Vertrag formuliert und für den Schadensfall Regelungen getroffen werden.

Die juristische Beratung des Bischöflichen Ordinariates sollte hinzugezogen werden. Zu beachten ist, dass Flüchtlinge und Asylbewerber keine eigene Versi­cherung besitzen. Bei Unterbringung in Mietwohnungen ist zu beachten, dass der Vermieter mit der Aufnahme einverstanden sein muss, gegebenenfalls kön­nen auch die Kommune oder der Landkreis Mieter sein. Für den Schadensfall sind die Haftungsfragen zwischen allen Beteiligten im Vorfeld zu klären. Mit einer Erhöhung der Nebenkosten (Wasser, Strom und Heizung) ist zu rechnen. Die Funktion einer Waschmaschine, eines Kühlschrankes, einer Mikrowelle, die Mülltrennung oder die Einhaltung von Ruhezeiten könnten Flüchtlingen und Asylbewerbern unbekannt oder fremd sein. Eine gründliche Wohnungseinwei­sung in ihrer Heimatsprache ist wichtig. Lebensrhythmus, Kindererziehung, Ge­schlechterrollen und andere Elemente der Alltagskulturen können sich ebenfalls von den unsrigen unterscheiden. Der Vollzug ihrer Religion in pfarrlichen be­ziehungsweise privaten Räumen muss möglich sein. Hier sind Toleranz und ge­genseitiges Lernen gefragt.

Wohnungseinrichtung zur Verfügung stellen

Gerade am Anfang fehlt es Asylbewerbern und Flüchtlingen an Einrichtungsge­genständen. Viele müssen ihr Hab und Gut auf der Flucht zurücklassen und kommen in Deutschland nur mit einer Plastiktüte an. Benötigt werden meistens Bett, Schrank, Waschmaschine, Tisch, Radio und Fernseher. Durch Sammlung von Einrichtungsgegenständen und Hausrat können die Pfarrgemeinden die Be­troffenen gezielt unterstützen, allerdings sollte der Bedarf konkret erfragt wer­den.

Sprache

Die meisten Asylbewerber und Flüchtlinge sprechen kein Deutsch und haben keinen Anspruch auf einen Integrations- und Deutschkurs. Jedoch ist die Ver­ständigung in deutscher Sprache, insbesondere bei Behörden, sehr wichtig. In den Pfarrgemeinden können Deutschkurse angeboten werden. Falls dies nicht möglich ist, können bestehende Deutschkurse zum Beispiel an Volkshochschu­len für die Flüchtlinge mit finanziert werden. Dies kann bei einer späteren Integ­ration in die Gesellschaft sehr helfen.

Begegnung und Begleitung

Für Asylbewerber und Flüchtlinge ist Deutschland ein fremdes Land. Sie ken­nen die hiesige Kultur nicht. Hier ist es wichtig, dass Anschlussmöglichkeiten geschaffen werden. Schriftwechsel und Kommunikation mit Behörden sind für Asylbewerber und Flüchtlinge meistens nicht verständlich. Schon das Begleiten eines Asylbewerbers in eine Behörde kann eine große Hilfe sein.

Die Kinder und Jugendlichen haben einen Rechtsanspruch auf Schulbildung (unter Umständen bis 27 Jahre) und lernen die deutsche Sprache in den Vorbe­reitungsklassen. Sie haben aber wegen der Sprachbarrieren möglicherweise Probleme, den Anforderungen in der Schule gerecht zu werden. Durch Hausauf­gabenhilfe können die Kinder und Jugendlichen besser mitkommen und lernen so die deutsche Sprache. Man sollte darauf achten, dass bei Klassenfahrten we­gen der Residenzpflicht Genehmigungen einzuholen sind.

Musik ist ein internationales Kommunikationsmittel.

Durch die Musik lernen die Kinder sehr schnell. So ergeben sich Kontakte, ins­besondere zu den Müttern. Weiterhin wäre es sehr hilfreich, wenn Flüchtlinge und Asylbewerber in Gruppen und zu Festen der Pfarrgemeinde eingeladen werden. Durch gemeinsame Aktivitäten wie Kochen, Einkaufen, Handarbeiten oder Sport können sich die Familien näher kennenlernen.

Betätigungsfelder

Da Asylbewerber in den ersten Monaten keiner Arbeit nachgehen dürfen, viele aber aus dem ländlichen Bereich kommen, könnte die Betätigung im Pfarr­grundstück oder Kleingarten eine sinnvolle Abwechslung sein. Nicht alles ist überall durch jede Pfarrgemeinde umsetzbar. Jedoch helfen schon kleine Zei­chen der Hilfe. Der Katalog der Möglichkeiten soll als Anregung dienen. Mit­einander reden, nachfragen, Vorschläge machen sind in der Regel der beste Weg.

Was muss noch beachtet werden?

Sprachliche Verständigung ist sehr wichtig, um Missverständnissen und Kon­flikten vorzubeugen. Die meisten Asylbewerber und Flüchtlinge kommen aus muslimischen Ländern. Hier ist ein Grundwissen über die muslimische Religion und deren Umsetzung im Alltagshandeln wichtig, zum Beispiel bei der Nah­rungszubereitung. Finanzielle Hilfen sind nützlich, dürfen aber andere Asylbe­werber nicht benachteiligen (Konkurrenz, Bevorzugung) und müssen mit Au­genmaß verteilt werden.

Wer kann weiterhelfen?

Es gibt viele Situationen, bei denen ehrenamtliches Engagement an seine Gren­zen kommt. Dies kann in der Asylverfahrensbegleitung, im Umgang mit Behör­den, bei sozialrechtlichen Ansprüchen, bei Schulproblemen, Schuldenproblemen und Suchtverhalten sein. Unterstützung, Begleitung und gegebenenfalls Ver­mittlung zu anderen Institutionen bekommen Sie auch beim Caritasverband.

Dr. Wolfgang Křesák, Pfr.